Leben mit Huskys zwischen 1550 und 3200 Metern
Sommerhitze trifft Höhenluft – und MS mittendrin
Der Sommer ist da. Die Freibäder sind voll, die Glacés schmelzen, und ich? Ich pendle mit meinen Huskys zwischen einem Maiensäss auf 1550 m und einer Hochgebirgshütte auf 3200 m – direkt neben einem schmelzenden Gletscher.MS & Hitze – eine Lovestory? Eher nicht. Was viele unterschätzen: Hitze ist für Menschen mit Multipler Sklerose (MS) wie ein Update, das den Computer langsamer macht – nur dass der Computer mein Körper ist.
• Mein Gleichgewicht wird so wackelig wie eine Ziege auf Glatteis
• Die Konzentration schmilzt wie der Gletscher hinter der Hütte
• Fatigue (die fiese Müdigkeit) macht Siesta zum neuen Leistungssport
• Und meine Beine fühlen sich an wie Betonblöcke mit Anlauf
Morgens bin ich noch energiegeladen wie ein Huskyrudel beim Aufbruch. Mittags? Könnte ich glatt mit ihnen im Schatten dösen – und manchmal tu ich das auch.
Heusaison im Maiensäss – Idylle mit Muskelkater
Unten im Maiensäss duftet’s herrlich nach Heu, Wildblumen und Abenteuer. 27 Grad, kein Wind, kein Schatten – nur Sonne und Schweiss.
Früher war Heuen erfüllend. Heute? Eher schweisstreibend – und ein echtes MS-Balance-Training.
Also heisst es:
• Frühes Aufstehen (Hallo 5 Uhr!),
• Pausen mit Stil (unter dem Baum mit Eistee und Huhn im Blickfeld),
• Schatten suchen wie ein Vampir,
• Und sich selbst nicht vergessen.
Denn auch wenn ich helfen will und nicht nur zusehen mag: Mein Körper sagt mir ganz deutlich, wann Schluss ist. Spoiler: Er ist sehr ehrlich – und manchmal verdammt laut.Und während ich mir mit UV-Kleidung, Sonnenhut und literweise Wasser ein mobiles Schattenmanagement zusammenbaue, liegen meine Huskys mitten in der Sonne – ausgestreckt wie kleine Polarfüchse auf dem Grill.
Besonders Blizzard, mein „Ich-bin-Husky-und-unbesiegbar“-Spezialist, legt sich demonstrativ auf die heisseste Stelle im Hof. Ich schwitze beim Zusehen. Er hebt nur kurz den Kopf, wenn ich vorbeihechle, gähnt, und dreht sich noch tiefer in den Sonnenmodus.
Ich sag’s mal so: Kältehund ist nicht gleich kluger Hund.
Aber wehe, ich packe die Kühlmatte aus – dann gibt’s plötzlich ein Gedränge, als ob ich Eis am Stiel verteilt hätte. 😅
Blick auf dem Triftgletscher unterhalb des Weissmies
Storm auf ihrer Abendtour im Sommerauslauf
Sommerjob auf 3200 m – Höhenrausch mit Extra-UV
Ende Mai startet mein Saisonjob auf einer Berghütte direkt am Gletscher. Es ist spektakulär. Es ist einsam. Es ist verdammt anstrengend.
Denn:
• Der Permafrost taut – und plötzlich sind Steine nicht mehr da, wo sie gestern noch waren.
• Der Gletscher schmilzt – Wege verschwinden, neue Bäche plätschern plötzlich durchs Gelände.
• Die Sonne brennt – UV-Strahlung hoch zehn. Sonnencreme? Ja. Sonnenhut? Doppelt. Humor? Unverzichtbar.
Oben ist die Luft kühler – was der MS gut tut. Leider gibt’s da oben auch weniger Sauerstoff. Bedeutet: Mein Akku ist nach dem Mittag oft so leer wie die Kaffeekanne am Montagmorgen.
Aber: Ich liebe es. Ich habe gelernt, mit den Bergen zu arbeiten – nicht gegen sie.
Was mir hilft – und vielleicht auch dir
Wenn du selbst MS hast (oder einfach keine Lust auf 38 Grad im Schatten), hier meine Tipps:
• Coolpacks im Nacken – oder gleich ein nasses Tuch (wahlweise mit Pfefferminzöl für den Frischekick)
• Kühles Wasser trinken – auch wenn du keinen Durst hast. Ich rede mit meinem Glas, wenn es sein muss.
• UV-Schutzkleidung – sieht aus wie Safari, schützt aber wie ein Schild.
• Sonnenbrille & Kappe mit Nackenschutz – Stil ist zweitrangig. Keine Bratwurst auf zwei Beinen sein.
• Realistische Tagesplanung – morgens einen Mini-Plan schreiben. Ohne Heldenstatus. Mit Pause.
• Und vor allem: Du darfst Pause machen. Du darfst Nein sagen. Auch wenn’s schwer fällt
Zwischen Klimawandel & Krankheitsgrenzen – Balance mit Fell und Fels
Was mich beschäftigt? Die Veränderung.
• Der Gletscher stirbt langsam.
• Die Wege werden unsicherer.
• Der Boden unter den Füssen instabiler – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Ich lebe mit einer Krankheit, die mein Nervensystem herausfordert. Gleichzeitig lebe ich in einer Landschaft, die selbst krank wird.
Vielleicht ist genau das meine Lektion: Inmitten von Unsicherheit, Brüchigkeit und Wandel Balance zu finden.
Nicht perfekt. Aber ehrlich. Mit Huskys, Humor und Heu im Haar.
Nova beim Frisbee spielen im Heu
Rwin und Yakari bei der Poolparty
Was machen eigentlich die Tiere im Sommer?
Die Frage bekomme ich oft – und ja: Auch unsere tierischen Mitbewohner haben bei Sommerhitze ihren ganz eigenen Rhythmus. Spoiler: Siesta ist hier Gesetz.
🐔 Die Hühner haben das Prinzip „Schatten ist Leben“ perfektioniert. Tagsüber sieht man sie kaum – sie sitzen regungslos unter Büschen, als hätten sie sich in Steine verwandelt. Erst wenn die Sonne den Hof verlässt, kommen sie wie kleine Velociraptoren aus der Deckung und tun so, als hätten sie den ganzen Tag gearbeitet.
🐑 Die Schafe und Ziegen? Verziehen sich in ihren kühlen Unterstand und hängen dort rum wie Teenager in der letzten Schulwoche. Bewegung? Nur wenn’s Futter gibt. Ansonsten wird gechillt – und zwar kollektiv.
🐱 Der Kater ist konsequent: Er hat sich in die Heubühne eingemietet und hält dort eine Art Sommerschlaf, unterbrochen nur durch Fresspausen und gelegentliche Kontrollgänge à la „lebt hier eigentlich noch jemand ausser mir?“
🐕🦺 Die Huskys sind Frühaufsteher – oder sagen wir: ich muss es für sie sein. Morgens um 4 Uhr geht’s los zum Training, solange die Temperaturen unter 12 Grad bleiben. Danach wird kollektiv „abgehängt“ – entweder im Schatten oder, ganz unverständlich, direkt in der Sonne liegend wie ein Hühnchen auf Grillstufe 2. Abends dann plötzlich: Energie-Explosion im Auslauf. Als hätten sie den ganzen Tag heimlich Batterien geladen.
🐾 Und dann wäre da noch Nova, unser belgischer Schattenhund. Sie bleibt wie immer wachsam, klebt mir am Bein wie ein Kaugummi in der Sommersonne – man könnte ja verloren gehen oder, Gott bewahre, was ohne sie erleben.
Fazit – Zwischen Hitzewelle und Huskys: Balance ist (k)eine Option
Manchmal frage ich mich, ob ich eher eine Bergbäuerin, Musherin, MS-Akrobatin oder Hitzemeisterin bin – wahrscheinlich alles auf einmal. Die Wahrheit ist: Das Leben hier oben ist nicht Instagram-perfekt. Es ist staubig, schweisstreibend, chaotisch – und wunderschön.
Ja, die Hitze ist eine Herausforderung mit MS. Ja, ich kann nicht alles so schaffen, wie ich es mir vorstelle. Aber ich habe gelernt:
• 🌾 Man darf Pausen machen.
• ❄️ Coolpacks sind keine Schwäche, sondern Strategie.
• 🐾 Ein gutes Rudel (ob zwei- oder vierbeinig) trägt mit.
• 🧠 Planung ist gut, Flexibilität ist besser.
Und ganz ehrlich: Wenn ich zwischen schmelzendem Gletscher, bellenden Huskys, kratzenden Heuhalmen und MS-Schüben trotzdem lachen kann, dann ist das vielleicht nicht perfekt – aber definitiv mein Weg.